Lang vor dem Einbruch der Steuereinnahmen oder der Corona-Pandemie, legte sich 1. Bürgermeister Hans Steindl mit dem Stadtrat in einer weitsichtigen Entscheidung auf eine Ersatzbeschaffung für das Hubrettungsfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr fest und gab bereits im Jahr 2018 die dafür notwendigen Finanzmittel in Höhe von 800.000 € frei.
Gerade rechtzeitig, ehe am vorhandenen knapp 20 Jahre alten Teleskopmast kostspielige Wiederholungsprüfungen und Instandsetzungsarbeiten fällig werden, konnte nun die neue Drehleiter im Herstellwerk des Ulmer Feuerwehrfahrzeugbauers Magirus abgeholt und nach Burghausen überführt werden. „Es kommt selten vor, dass sich ein Kommandant wünscht, dass die Kameraden nicht zum Feuerwehrhaus kommen, aber in Zeiten von Corona mussten wir hier auch unsere strikten Sicherheitsvorgaben einhalten, und auf einen großen Empfang verzichten“, erklärt Kommandant Florian Hobmeier. So hatten sich am Dienstagabend nur einige Führungskräfte, sowie Bürgermeister Hans Steindl und dessen designierter Nachfolger Florian Schneider am Feuerwehrhaus eingefunden, um das Fahrzeug in seiner neuen Heimat zu begrüßen. Über einen innovativen Weg hatten die Verantwortlichen der Wehr allerdings eine Möglichkeit gefunden, auch den zu Hause gebliebenen Kameraden erste Eindrücke zu vermitteln. So wurde der Empfang vom feuerwehreigenen Medienteam unter der Leitung von Markus Szehr kurzerhand per Live-Stream im Internet übertragen.
Bis zur Auslieferung und dem freudigen Empfang war es allerdings ein langer Weg. Ein ganzes Jahr nahm die Erstellung der vom Gesetzgeber geforderten europaweiten Ausschreibung in Anspruch. Es fanden zahlreiche Treffen des Arbeitskreis Fahrzeugbeschaffung, Besichtigungen diverser Herstellerwerke, Fahrzeugvorführungen und eine intensive Marktrecherche statt. Als Besonderheit ist hier zu erwähnen, dass durch internes Know-how und die Erfahrung aus zahlreichen Fahrzeugbeschaffungen auf die Unterstützung durch ein externes Ingenieurbüro verzichtet werden konnte und die Ausschreibung, inklusive Auswertung und Auftragsvergabe gemeinsam mit der Stadt Burghausen selbst durchgeführt wurde. Die Ersparnis dadurch liegt im fünfstelligen Euro-Bereich, wofür sich Kommandant Florian Hobmeier maßgeblich verantwortlich zeichnet, welcher selbst diplomierter Ingenieur ist und Beschaffungen der Feuerwehr in den letzten Jahren durch hohen persönlichen Einsatz und ausgeprägte Fachkompetenz entscheidend nach vorne gebracht hat. Nachdem im Februar 2019 der Aufbau an die wirtschaftlichsten Bieter vergeben werden konnte, dauerte es nochmal gut ein Jahr und drei Termine im Herstellerwerk bis zur Auslieferung. Das Fahrgestell wird von der Mercedes Benz AG, der Drehleiteraufbau und die feuerwehrtechnische Beladung von der Magirus GmbH aus Ulm geliefert.
Als „Quantensprung in der technischen Ausstattung der Wehr“ bezeichnet Hobmeier die neue Drehleiter vom Typ DLAK 23/12 (Drehleiter automatisch mit Korb), welche in Kürze unter dem Funkrufnamen „Florian Burghausen 30/1 ihren Dienst antreten wird. Bei der Beschaffung des Teleskopmasts als Vorgängerfahrzeug war dieser gemäß dem damaligen Stand der Technik das richtige Einsatzmittel der Wahl und konnte gegenüber einer Drehleiter technische Vorteile bieten. Hierzu zählten unter anderem die Traglast des Korbes, sowie eine dorthin fest verlegte Strom- und Wasserversorgung. Das Blatt hat sich im Laufe der technischen Entwicklung von fast 20 Jahren nun allerdings zu Gunsten der Drehleiter gewendet. Das neue Fahrzeug verfügt über all diese Ausstattung und kann mit weiteren Vorteilen aufwarten. Der Rettungskorb bietet für bis zu 5 Personen Platz, was im Fall der Fälle Menschenleben retten kann. Ein teleskopierbares Gelenkteil am oberen Ende des Leitersatzes ermöglicht Unterflurarbeiten und das Erreichen von zurückgesetzten Dachgauben oder verwinkelten Bauten, gerade im engen Altstadtbereich. Zudem ist es durch das Gelenkteil möglich, die oftmals bei historischen Häusern hinter Scheinfassaden tieferliegenden Dachflächen zu erreichen.
Der Einsatzbereich der Drehleiter beschränkt sich nicht nur auf den Brandfall, in dem Menschen aus oberen Stockwerken gerettet werden können, denen der Fluchtweg durch Feuer und Rauch abgeschnitten ist, oder ein Löschangriff vom Korb der Drehleiter vorgenommen werden kann. Vielfältig sind die Aufgaben, bei denen die Drehleiter zum Einsatz kommt. Auch bei dringenden Türöffungen mit Menschen in Notsituationen wird neben dem Hauptzugang über die Wohnungstür auch immer parallel ein zweiter Zugangsweg über gekippte oder geöffnete Fenster, auch in den oberen Stockwerken, gesucht. Ist eine Rettung von liegenden Patienten notwendig, weil der Weg über das Treppenhaus zu eng ist oder es schlichtweg zu lange dauert, wird vom Rettungsdienst ca. 25 mal im Jahr die Freiwillige Feuerwehr Burghausen alarmiert, um die Person schonend und unter laufender notärztlicher Betreuung auf einer Trage im Rettungskorb sicher auf den Boden zu bringen.
Hier kommt wiederum eine technische Neuerung der Drehleiter zum Einsatz. Da aus Erfahrungswerten der Vergangenheit immer mehr Patienten übergewichtig sind und so mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr sicher und komfortabel gerettet werden können, hat die Feuerwehr Burghausen als erste im Landkreis Altötting einen sogenannten Rescue-Loader beschafft. Diese kranähnliche Vorrichtung wird innerhalb von 1-2 Minuten an der Spitze des Leitersatzes anstelle des Rettungskorbes montiert. Per Fernsteuerung kann die Schwerlasttrage direkt in das Fenster des Patienten manövriert werden, wo dieser dann in die Korbtrage gelegt werden kann. Die Zuladung des Rescue-Loaders liegt bei 500 kg, was für alle bisher bekannten Fälle ausreichend ist.
Dieses Rettungsmittel soll im Rahmen der überörtlichen Hilfe natürlich im gesamten Landkreis und im benachbarten Österreich zum Wohle der Patienten genutzt werden können.
Zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten der Drehleiter mit 23 m Nennrettungshöhe bei 12 m Ausladung runden das Aufgabengebiet ab. Dazu zählen Unterstützung bei Unwetter- und Sturmeinsätzen, Ausleuchten von Einsatzstellen, Fixpunkt für Sicherungen, wenn Feuerwehrangehörige in absturzgefährdeten Bereichen arbeiten und nicht zuletzt die mehr oder weniger hilflose Katze im Baum oder auf dem Dach. Die hohe Anzahl von Einsätzen, die zahllosen geretteten Mensch und die lange Dienstzeit relativieren den hohen Anschaffungspreis, zumal der Freistaat Bayern einen Zuschuss von 225.000 € gewährt und die Bedienung in Übung und Einsatz, die Schulung und jede damit verbundene Minute freiwillig und unentgeltlich geleistet wird.
Jetzt kann unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in Kleinstgruppen die intensive Ausbildung an der Drehleiter beginnen, so dass in einem selbstgesteckten Zeitrahmen von 2 Wochen 12 Drehleitermaschinisten fit gemacht werden, das komplexe Fahrzeug zu fahren und zu bedienen. Die offizielle Fahrzeugweihe in größerem Rahmen möchten die Verantwortlichen zu einem vertretbaren Zeitpunkt nachholen.